Der Vortrag des Metropoliten von Wolokolamsk Antonius auf der Konferenz “Die religiöse Zusammenarbeit zwischen den Ländern als eine der Grundlagen des Friedens und der Entwicklung”
Wandelt weise gegen die, die draußen sind,
und kaufet die Zeit aus.
(Kol. 4:5).
Sehr geehrte Teilnehmer!
Es ist kein Geheimnis, dass wir jetzt in der Zeitenwende der menschlichen Geschichte leben. Schon einige Generationen seit dem Zweiten Weltkrieg wechselten sich ab, vor vielen Jahrzehnten ist die Kubakrise zu Ende gekommen, aber heute haben wir ein Los gezogen, wieder “Kriege und Geschrei von Kriegen zu hören” (Matth. 26:6). Unsere Heimat widersteht tatsächlich in vielen Fragen- vor allem was die Weltanschauung angeht- der Gruppe der meist entwickeltsten und mächtigsten Staaten der Welt.Ich möchte die Betrachtung der Situation vom Standpunkt des Gläubigen, des Vertreters der Russischen Orthodoxen Kirche geben, die mehr als tausend Jahre einen großen Einfluss auf das geistige Bild des Lebens von Russland nimmt. Diese religiöse Wahl wurde von Fürsten Wladimir getroffen und wird nach dem Willen des Volkes bis heute erhalten.
Die Kultur der Völker Russlands ist eine der vielfältigsten in der Welt, und jedes Volk, das auf dem Territorium Russlands lebt, bekennt eine oder andere Religion. Es ist uns gelungen, ich würde ohne Angst sagen, das Mustermodell der Zusammenarbeit zwischen den traditionellen Religionen unseres Landes - Christentum, dem Islam, Judentum und Buddhismus zu schaffen. Die Völker Russlands verstehen, dass man die Traditionen und Kultur voneinander kennen und beachten muss. Darin besteht unser Schlüsselunterschied von der in einigen Ländern dominierenden Idee von eigener Einzigkeit.
Als Epigraph zu meinem Vortrag habe ich die Worte von Apostel Paulus gewählt: “Wandelt weise gegen die, die draußen sind, und kaufet die Zeit aus” (Kol. 4:5). Diese Worte, meiner Meinung nach, bestimmen die wesentlichen Charakterzüge unseres multinationalen Volkes, die uns heute mit Leuten von verschiedenen Glauben und Kulturen verständigen lassen.
Die Russische Orthodoxe Kirche bleibt manche Jahrzehnte mit den Religionen von Osten, insbesondere mit dem Islam in Kontakt. Und ich kann festlegen, dass wir uns mit den Muslimen oft mehr verständigen, als mit unseren Glaubensbrüdern im Westen. Warum ist das so?
Denn der Glaube spielt die größte Rolle im Leben von vielen Leuten im Osten. Die Anhänglichkeit unserer Gesellschaften an die von Gott gegebenen Werte von persönlicher und gesellschaftlicher Moral und Geistigkeit bestimmt unsere Verbundenheit. Das Moskauer Patriarchat führt schon 25 Jahre regelmäßig den Dialog mit den muslimischen Organisationen des Irans. Man muss ein ganz hohes Niveau der Verständigung und des Vertrauens betonen, zu den während des Dialogs gelungen wurde. Außerdem hat dieser Dialog dazu beigetragen, dass heute Russland und der Iran die festen Freundschaftsbanden haben. Das Ähnliche kann ich auch über die Beziehungen Russlands mit vielen Ländern der islamischen Welt sagen. Vor kurzem traf ich mich mit dem Oberimam des Hauptweltzentrums des islamischen Gedankens - der Universität “Al-Azhar”. Ich kann sagen, dass es heute das besondere Interesse am interreligiösen Dialog mit Russland seitens der muslimischen Welt gibt, denn sie gut verstehen, dass heute Russland eigentlich der Lebensweise selbst widersteht, die auf die Verehrung des Menschen nicht Gott gerichtet wird. Der Ost akzeptiert solches Paradigma nicht, deshalb, wie ich denke, haben wir dort so viele Gleichgesinnte abgesehen von dem sondergleichen Druck von Seiten der mächtigsten Staaten der Welt.
In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an die prophetischen Worte von dem Heiligsten Patriarchen von Moskau und ganz Russland, die er vor sechs Jahren während der Predigt in der Woche des Sieges der Orthodoxie gesagt hat: “Heute wird sich die Idee des Lebens ohne Gott aufs Neue schon im Maßstab des ganzen Planeten ausgebreitet. Wir sehen, wie man in vielen blühenden Ländern die Maßnahmen trifft, das Recht jeglicher Wahl sogar der sündhaftesten Wahl, die dem Wort Gottes widerspricht, auf dem gesetzgebenden Niveau zu genehmigen. Dieses gefährliche Ereignis im Leben des Menschen heißt “Dechristianisierung”. Vielleicht könnte man solche philosophischen Ansichten als Heterodoxie bezeichnen, wenn viele Christen sie nicht akzeptieren und die Rechte des Menschen höher als das Wort Gottes nicht beachten würden. Deshalb sagen wir heute über die globale Heterodoxie von Verehrung des Menschen- das ist die neue Art der Idolatrie, die Gott aus dem Leben des Menschen wegschafft. Es hat nichts Ähnliches gegeben. Die Kirche muss heute alles machen, um die Hauptheterodoxie der Gegenwart zu beseitigen”. [1]
Seine Heiligkeit wies damals klar darauf hin, dass die Verehrung des Menschen, die in den Mittelpunkt gestellt wird, zu apokalyptischen Ereignissen führen kann. Heute sehen wir dieses Szenario: Was hat außer der Ignorierung von Gott und Seinen Geboten zur heutigen Situation geführt, wenn das Blut der Leute vergossen und die Drohungen der globalen kriegerischen Konfrontation gesagt werden?
Hier möchte ich mich an den Gedanken des in der Ukraine geborenen großen russischen Schriftstellers Nikolai Wassiljewitsch Gogol wenden. Der Autor von Heldenepos “Taras Bulba” dachte viel über den Krieg und Frieden, über die Liebe zur Heimat und den Glauben nach. Sehr aktuell sind heute seine Worte aus “Die Beichte des Dichters”: “Wer wirklich treulich Russland dienen will, muss viel Liebe zu ihm haben, die schon alle anderen Gefühle verschlingen würde,- man muss die Liebe zum Menschen im Großen in Ganzen haben und zum wahren Christen werden, in dem ganzen Sinne dieses Wortes.” [2]
Wir können uns an Gogols Äußerungen aus den Briefen zu Grafen Alexander Petrowitsch Tolstoj über die Nachrichten über das Unglück in Russland: “Vor allem müssen wir nicht in Russland, sondern in Gott leben. Wir wissen, dass nichts ohne Gottes Willen getan wird. Und Gottes Wille ist intelligent, Gottes Wille weiß, was wir brauchen. Wir werden das Gesetz Christi den Leuten gegenüber, mit den wir uns treffen ( dieses Gesetz kann man überall vollziehen) vollziehen, und Gott wird sich um Russland kümmern.” [3]
Aus diesen Worten können wir den Schluss ziehen, dass das Wohl des Volkes und des Landes gerade davon abhängt, welche Werte die Leute beachten. Das Unterpfand der festen und einigen Gesellschaft ist die komplexe Zusammenarbeit der religiösen Gemeinden und staatlichen Institute, die auf die Bildung in den Leuten der festen Vorstellungen über Morale gerichtet werden soll. Das setzt vor allem die Arbeit im Information- und Bildungsbereich voraus.
Je höher das Niveau der Religiosität in der russischen Gesellschaft ist, desto mehr Verbündete gewinnen wir in der gegenwärtigen Welt und desto mehr Achtung erregen wir bei den Mitmenschen. Wenn ich die heutigen Ereignisse ansehe, erinnere ich mich oft an die alttestamentliche Geschichte des jüdischen Volkes, das abgesehen vom technologischen Rückstand im Vergleich mit anderen Völkern die feindliche Übermacht besiegen und unangreifbare Städte angreifen konnten. Die Juden prosperierten, weil sie an Gott glaubten und versuchten, Seine Gebote einzuhalten. Aber sobald die Leute Gottesfurcht verloren, sobald Heidentum, Korruption und Gesetzlosigkeit zu blühen begannen- rückte das Volk Gott ab und wurde von den Invasoren unterjocht. Davon zeugen auch die historischen Beispiele des Verfalls von allen großen Weltreichen- sie zerfielen, wenn die Moralität sank.
In unserem Land gibt es alle nötigen Bedingungen für die befruchtende Zusammenarbeit: in Russland funktioniert schon seit 25 Jahren der Interreligiöse Rat, wo es die größten traditionellen Gemeinden gibt. Der gute Boden für die Zusammenarbeit mit der religiösen Gemeinde von ausländischen Ländern wurde auch geebnet.
Gott gebe, dass wir in zahlreichen Meinungen den richtigen Weg finden, den wir berufen werden, für die friedliche und ruhige Zukunft in unserem Land zusammen zu gehen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
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[1] Die Rede des Heiligsten Patriarchen Kyrill während des Festes von Sieg der Orthodoxie nach dem Gottesdienst in der Christ-Erlöser Kathedrale 20.03.2016. http://www.patriarchia.ru/db/text/4410951.html
[2] Gogol N.W., die Beichte des Dichters // Schriftwerke. Gesamtausgabe in 1 Bd. Sankt Petersburg. Verlage von F. Pawlenkow., 1902. S. 1201.
[3]Gogol N.W., Tolstoj A.P., der 2. August n.St. 1847 // Briefe. http://gogol-lit.ru/gogol/pisma-gogolya/letter-1002.htm