Metropolit Theodosius (Snigirev): "Die Weltgemeinschaft steht auf die Verteidigung unserer Kirche"
- Euer Eminenz, gemeinsam mit anderen Hierarchen der Ortskirchen haben Sie die Gründung des Internationalen Menschenrechtsvereins "Die Kirche gegen Fremdenfeindlichkeit und religiöse Diskriminierung" initiiert. Der Verein wurde mit dem Hauptziel gegründet, die Rechte der orthodoxen Gläubigen in der Ukraine zu schützen. Aber die Probleme der Gläubigen gibt es nicht nur in der Ukraine. Sagen Sie uns bitte, was ist die Perspektive der Tätigkeit dieser neuen internationalen Menschenrechtsstruktur, ihr Hauptziel?
- Die Notwendigkeit, die Interessen der orthodoxen Gläubigen auf der internationalen Ebene rechtlich zu verteidigen, besteht seit langem. In der Welt gibt es Strukturen, die seit Jahrzehnten die dem Christentum fremden und widersprüchlichen Grundsätze fördern. Insbesondere sind das so genannte "Recht auf Abtreibung", "Rechte der LGBT-Gemeinschaft", "Recht auf Euthanasie" usw. In Wirklichkeit handelt es sich nicht um die "Verteidigung der Rechte" der Zugehörigen dieser Gruppen und ihrer Ideen, sondern um das Aufzwingen dieser Denkweise den anderen Menschen. Unter dem Deckmantel der "Verteidigung der Rechte" solcher Gemeinschaften erleben wir einen aggressiven Kampf gegen die christlichen Werte und im Endeffekt gegen die traditionelle Ethik eines gesunden Menschen. Diese Aggression führt in verschiedenen Ländern zunehmend zu allen möglichen Verboten und Einschränkungen für Christen, ihre religiösen Ansichten frei zu äußern und ihren Glauben zu bekennen. Seit Jahrzenten beobachtet man diese Tendenz in verschiedenen drastischen und unversöhnlichen Formen und einem immer mehr zunehmenden Ausmaß.
Neben diesen Problemen verstoßen gewisse politische Gruppen gegen das Menschenrecht, in dem sie ihre Macht missbrauchen und sich in das religiöse Leben der Kirchengemeinschaft einmischen. So war zum Beispiel in Montenegro, als Politiker, die die einheimische Kirche angriffen, ihre Macht schließlich verloren. Leider beobachtet man jetzt einen ähnlichen Prozess bei uns in der Ukraine. Daher ist es besonders wichtig, praktische Maßnahmen auf der internationalen Ebene zu ergreifen, um Rechte und Interesse der Gläubigen in verschiedenen Ländern und in diversen Bereichen zu schützen.
- In der Pressemitteilung des Vereins werden nicht staatliche Organisationen mit beratendem Status bei den Vereinten Nationen erwähnt. Die Organisationen waren an der Gründung dieser Menschenrechtsstruktur beteiligt. Über welches Aufgabengebiet verfügen diese Organisationen?
- Zurzeit gehören zu unserem Verein professionelle Menschenrechtsorganisationen, Fachanwälte im Bereich des internationalen Rechts und des Menschenrechts, sowie Informations- und PR-Agenturen. Das ermöglicht uns die Arbeit auf allen internationalen Ebenen inklusive der UNO, des Europäischen Parlaments, des Europarates, der EU-Kommissionen und der Ausschüsse. Das beabsichtigt sowohl das Einreichen der Beschwerden bei internationalen Instanzen als auch die Vermittlung der persönlichen Kontakte zu Beamten, die über Rechte verfügen, öffentliche Prozesse zu beeinflussen.
Die Wichtigkeit der Medienarbeit ist hier von besonderer Bedeutung, daher war einer unserer ersten Schritte, das Informieren der ausländischen Medien über die Probleme der orthodoxen Gläubigen in der Ukraine. Diese Tätigkeit wird unter anderem mit der Unterstützung des Genfer Presseclubs sowie durch andere Kanäle umgesetzt. So wurde eine Reihe der Mitglieder unseres Vereins in das Transparenzregister der Europäischen Union für Lobbyisten eingetragen. Diese Mitglieder verfügen über reiche Erfahrung in der internationalen Arbeit im Europäischen Parlament. Mit unseren Mitgliedern in den Vereinigten Staaten planen wir Kontakte zu US-Senatoren und Kongressabgeordneten, zu den für die Religions- und Menschenrechtsfragen zuständigen US-Regierungsstellen sowie zu den Strukturen im UN-Hauptsitz in New York zu knüpfen.
- Herr Metropolit, kann das Programm des Internationalen Menschenrechtsvereins "Die Kirche gegen Fremdenfeindlichkeit und religiöse Diskriminierung" auf der lokalen Ebene, in Pfarreien und in Klöstern, zum Schutz ihrer Rechte und religiöser Freiheit eingesetzt werden? Kann ein einfacher Priester oder ein Laie Mitglied werden? Oder ist ein bestimmter Rechtsstatus unbedingt erforderlich?
- Der Verein beabsichtigt die Möglichkeit einer breiten Beteiligung von Gläubigen: Laien, Klerikern, Hierarchen und Fachleute aus verschiedenen Bereichen: Es können Anwälte, Journalisten, Wissenschaftler sein, die ihren Glauben verteidigen und den Opfern der Ungerechtigkeit und der Schreckensherrschaft in verschiedenen Ländern helfen möchten. Unsere Türen sind offen für die Menschen guten Willens und traditioneller Lebenswerte, für diejenigen, die sich gegen die Verletzung von Religionsfreiheit und Weltanschauung in der Ukraine, sowie gegen die drohende antichristliche Welle in der Welt einsetzen möchten. Die Teilnahme an der Tätigkeit des Vereins ist auf mehreren Ebenen vorgesehen. In der nahen Zukunft plant der Koordinationsrat des Internationalen Vereins "Kirche gegen Fremdenfeindlichkeit und religiöse Diskriminierung" die Aufnahme weiterer bekannter ausländischer Hierarchen. Neben dem Koordinationsrat sind andere Formen der Beteiligung an der Arbeit des Vereins, auch für den Klerus, vorgesehen. Im Gegensatz zu der juristischen und diplomatischen Abteilung, die bereits vorhanden sind und effektiv funktionieren, haben wir vor, breitere Bevölkerungsschichten in die Arbeit des Vereins einzubeziehen. Wir können jetzt noch nicht über alles sprechen. Aber wir beten und hoffen sehr, dass Gott die Bemühungen und die Ansätze seiner Kinder segnet und sie unterstützt.
- Sagen Sie bitte, ob es eine Reaktion der internationalen Gemeinschaft auf das Programm des neuen Menschenrechtsvereins gibt, oder ist es noch zu früh, darüber zu sprechen? Welchen Einfluss kann ihre Arbeit auf die aktuelle Situation rund um die UOK ausüben?
- Tatsache ist, dass sich die Mitglieder unseres Menschenrechtsvereins schon seit geraumer Zeit für den Schutz der Rechte von Gläubigen einsetzen. Die Unterzeichnung des Abkommens am 19. Dezember 2023 war lediglich ein Zeichen nach außen, den Status quo festzuschreiben und ihn öffentlich zu machen. Die Mitglieder des Vereins leisteten bereits eine recht umfangreiche Arbeit auf der internationalen Ebene und verfügen über wichtige Kontakte in verschiedenen Ländern. So koordinierten wir unsere Arbeit mit der internationalen Anwaltskanzlei "Amsterdam and Partners" und nutzten die Kompetenzen der Menschenrechtsorganisation "Public Advocacy", die ebenso ein Mitglied des Vereins ist und sich seit vielen Jahren mit den Problemen der UOK befasst. Das ermöglichte uns, eine wirksame Zusammenarbeit mit dem UN-Menschenrechtsrat, dem Büro des UN-Hochkommissars für Menschenrechte, den UN-Sonderberichterstattern sowie den Ausschüssen zu etablieren. In Streitfällen mit den Staaten, in denen die Rechte der Gläubigen verletzen werden, sind diese Institutionen in der rechtlichen Lage, entsprechende Entscheidungen zu treffen.
Dank einer intensiven internationalen Menschenrechtsarbeit im Jahr 2023 wurden die Probleme der Gläubigen der UOK als ein separater Punkt auf die internationale Tagesordnung gesetzt. Das führte zu zahlreichen Veröffentlichungen in der ausländischen Presse. Über die Verletzung der Rechte der Gläubigen wurden in der UNO diskutiert. Es gab ebenso öffentliche Diskussionen in den Medien und im politischen Raum der Vereinigten Staaten. Dies deutet darauf hin, dass ein gewisses greifbares Ergebnis dieser Arbeit bereits erreicht wurde.
Solche Verletzungen der Rechte der Gläubigen der UOK wie Beschlagnahmen der Kirchen, staatliche Versuche, ein Gesetz "über das Verbot der UOK" zu verabschieden, sämtliche Entscheidungen der lokalen Behörden, Gemeindegrundstücke zu entziehen und eine andauernde kriminelle Verfolgung der Hierarchen der UOK riefen bereits scharfe internationale Kritik hervor. Ein Teil dieser Kritik konnte man in den öffentlichen Medien hören und sogar in einem Segment des politischen Kampfes im Ausland beobachten. Nach einer einfachen und angemessenen Logik wäre es im Interesse der politischen Führung unseres Landes, die Agenda der ukrainisch-orthodoxen Kirche aus dem politischen Mainstream rauszunehmen und sich auf die dringlichen Themen in der Ukraine zu konzentrieren. Aber wir verlieren nicht die Hoffnung, dass unsere Behörden ihre Haltung gegenüber der UOK ändern und die Kraft finden, die Gesetzlosigkeit und die Rechtlosigkeit zu beenden, die in der ukrainischen Gesellschaft gegenüber den Gläubigen unserer Konfession herrscht.
Trotz aller Hindernisse und Schwierigkeiten werden wir diese Arbeit fortsetzen, neue Teilnehmer gewinnen und die Probleme der Verletzung der Rechte der Gläubigen in verschiedenen Ländern behandeln. Wir werden sowohl lokale Kirchen als auch Vertreter der Berufsgruppen aus den Bereichen: Recht, Medien, Wissenschaft und Bildung involvieren sowie öffentliche Personen aus verschiedenen Ländern, die an der Lösung der Probleme ihrer Mitbürger interessiert sind, zu dieser Arbeit heranziehen.
- Herr Metropolit, die Gläubigen aus der Ukraine, und nicht nur aus der Ukraine, haben mit Freude von der jüngsten Gerichtsentscheidung in Tscherkassy erfahren: die Änderung Ihrer Zwangsmaßnahme von einem rund um die Uhr Hausarrest zu einem nächtlichen Hausarrest. Nun besteht für Sie wieder die Möglichkeit, tagsüber öffentliche Gottesdienste zu vollziehen und die Diözese vollständig zu leiten. Deutet dies nicht auf eine positive Tendenz in Gerichtsverfahren gegen den Klerus der UOK hin?
- Es ist wahrscheinlich noch zu früh, von einer Tendenz zu sprechen. Für eine Tendenz brauchen wir mehr von solchen Fällen, wir brauchen eine positive Dynamik in anderen Gerichtsverfahren. Bislang ist das nicht der Fall. Ich glaube, dass wir in diesem Fall lediglich von Mut und Anständigkeit einer bestimmten Richterin sprechen können. Sie traf eine gerechte Entscheidung im Rahmen des Gesetzes und ihrer Befugnisse. Warum Anständigkeit? Weil wir alle, sowohl die Richter als auch die "Angeklagten", heute in der Atmosphäre eines enormen Informationsdrucks leben. Druck auf den gesunden Menschenverstand. Wir leben in der Atmosphäre, in der selbst eine nicht aggressive Haltung gegenüber den Andersdenkenden und umso mehr gegenüber den Vertretern der ukrainisch-orthodoxen Kirche verwerflich ist. Aus rechtlicher und moralischer Sicht ist das sicherlich nicht normal. Die Lage sieht jedoch so aus. In so einer Atmosphäre ist es unheimlich schwierig, ein ehrlicher Mensch zu bleiben.
- Die weihnachtliche Fastenzeit neigt sich dem Ende zu, das neue Jahr 2024 hat begonnen und das große Fest der Geburt Christi steht vor der Tür. Was erwarten Sie am meisten im kommenden neuen Jahr und was wünschen Sie den Lesern und allen Gläubigen der ukrainisch-orthodoxen Kirche in diesen heiligen Tagen vor Weihnachten?
- Ich erwarte im neuen Jahr und wünsche allen Lesern des Portals Orthodoxes Leben und allen gläubigen Menschen das große Geschenk Gottes - das Ende des Krieges. Ich wünsche auch, dass das Ende des Krieges keine hoffnungslose Trauer und keinen unheilbaren Hass bringt, sondern die Hoffnung auf den festen Gottes Frieden und den Aufbruch seiner vergebenden Liebe. Sei das Gebet der Kriegsüberlebenden still, leicht und dankbar. Dieses Gebet soll der ganzen Dunkelheit, Unreinheit und allem Bösen entgegenstehen. Das soll mit Vertrauen auf Gottes Bestimmung, mit herzlicher Gelassenheit und mit Dankbarkeit dem Gott erfüllt sein. Erst dann werden Hunderttausende der unschuldigen Opfer dieses verheerenden Krieges den ewigen Frieden finden können. Erst dann können wir von Anfang an beginnen, unter einem friedlichen Himmel zu leben, so dass die Schrecken des Krieges nie wieder in unser Leben zurückkommen.
Mit Metropoliten Theodosius (Snigirev) sprach Diakon Sergiy Geruk